Sunday, August 24, 2008

Mein indisches Zuhause

Damit ihr eine bessere Vorstellung davon bekommt, wo Batman gestern abgehangen hat, gibt es gleich noch eine kleine Tour durch unser Heim hier in Sheikh Sarai:



Ich habe darauf verzichtet, ungefragt in Paulines und Sabines Zimmer einzudringen. Deshalb nur der Blick auf die geschlossene Tür von Paulines Zimmertür im Erdgeschoss (das Bad ist dann zu sehen) und der kurze Einblick in Sabines Zimmer, an das ebenfalls ein Bad angrenzt. Das große Zimmer im Erdgeschoss funktionieren wir gerade zu einem Arbeitszimmer um. Ich muss meinen Tisch noch runterräumen, bisher steht nur Sabines Schreibtisch drin.
Wer sich gefragt haben sollte, was die schwarzen Fässer auf den Dächern machen - das sind die Wassertanks. Der Zugang zur Hauptwasserleitung wird hier nämlich nur zweimal am Tag geöffnet, morgens gegen 6.30 und abends irgendwann zwischen 5.30 und 6.30. Dazwischen sollte Wasser aus den Tanks kommen, so dass man wenigstens Abwaschwasser, Toilettenwasser und Wasser am Waschbeckern hat. Die Dusche funktioniert tatsächlich nur zu den genannten Zeiten. Leider haben wir in letzter Zeit immer wieder Probleme mit den Tanks. Häufig kommt den ganzen Tag gar kein Wasser am Waschbecken an, und auch die Toilettenspülung fällt regelmäßig aus. Deshalb heißt es immer so viel Wasser wie möglich zu sammeln, wenn die Hauptleitung offen ist. Da ich selten, um nicht zu sagen nie, die Muße habe, mich morgens um halb sieben aus dem Bett zu begeben, dusche ich mich in der Regel mit Hilfe eines Messbechers. Der wird voll gemacht und über dem Körper ausgeleert. Duschen wird ja eh völlig überbewertet, und so eine Ladung Wasser aus dem Eimer kann sehr erfrischend sein. Von daher, alles kein Problem.
Die Bügelkonstruktion in meinem Zimmer gefällt mir nicht besonders. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, einen Haken in die Wand zu bekommen, um so eine Leine zum Bügelaufhängen zu spannen. Schon beim leichten Anschlagen bröselt einem der Mörtel entgegen, und das Loch will sich einfach nicht in die Tiefe weiten, sondern vergrößert sich nur in der Weite...Dafür muss also noch eine Lösung gefunden werden (für konstruktive Wäscheaufhängkonstruktalternativen bin ich sehr offen!).

Und schließlich: der kleine Gecko hinter der Gardine ist unser ständiger Hausgast. Er wird geduldet, weil er doch sehr viel hübscher als Batman ist (das Leben ist schon manchmal echt hart...) und außerdem Insekten vertilgt (das tut Batman angeblich auch, aber es bleibt die Gefahr, dass er auch an uns nagt, und außerdem wiegt das Schönheitsargument viel zu stark!).
Zur Abrundung noch ein paar Bilder vom Hauseingang und Innenhof:




Bilder aus Sheikh Sarai werden folgen!

Latest News: Batman im Badezimmer gesichtet!


Wie alle begeisterten Cineasten unter euch bestimmt wissen, befindet sich Batman derzeit auf der Flucht bzw. im Untergrund, zumindest wenn man Christopher Nolan glauben darf. Dummerweise nahm er aber an, unser Haus stünde ihm als konspirative Wohnung zur Verfügung. Ungebeten klatschte er am frühen Nachmittag in mein Zimmer, landete auf dem Moskitonetz, wurde unsanft auf den Fußboden geschleudert und rettete sich schließlich kreuchend und fleuchend in mein Badezimmer, wo er meinte, eine Weile an meinem Wäscheeimer abhängen zu können. Offensichtlich war nicht nur sein Radar ausgefallen... Bei aller Liebe, Herr Nolan, aber ich fühle mich arg betrogen und getäuscht! Oder hat Batman seinen ganzen Sexappeal auf der Flucht verloren???
Dieses kleine, schwarze Vieh hatte mehr Ähnlichkeit mit Dracula als mit sexy Bruce....äh Batman. Entsprechend heftig fiel dann auch meine spontane (Abwehr-)Reaktion auf diesen ungebetenen Eindringling aus! Schreien, Badtür verrammeln, weglaufen.
Nach dem ersten Schock bin ich dann doch langsam (!) ins Bad vorgedrungen, um zu erkunden, wo Batman denn nun genau abhängt. Nur um nach seiner Entdeckung wieder angewidert davon zu rennen. Ganz meiner Generation Ehre machend habe ich daraufhin erst mal ergoogelt, mit wem ich es hier eigentlich zu tun habe, vor allem um das Maß der Bedrohung auszuloten und um Vorschläge für mögliche Bekämpfungsmaßnahmen zu sammeln. Und wie das so ist, wenn man wahllos drauflosgoogelt: die Angst wird erst mal nicht geringer, sondern potenziert sich stattdessen mit jedem Suchergebnis. Es hieß u.a., man müsse sich vor Bissen schützen, da Fledermäuse Tollwut übertragen könnten. Zudem würden sie viele kleine, ebenso ungebetene Gäste mit einschleppen. Jedenfalls beschloss ich darauf, mich diesem vampirigen Etwas nicht mehr zu nähern, andererseits ihm aber nicht kampflos mein Territorium zu überlassen. Schließlich bin ich in dieses Haus gezogen, um endlich Mauern zwischen mir und der Tierwelt Delhis zu haben.
Da mir der Joker heute ausnahmsweise nicht zur Verfügung stand, rief ich unseren Vermieter an und bat ihn, den Hausmeister vorbeizuschicken. Meine Hoffnung war, dass dieser über mehr Erfahrung mit ver(w)irrten Abhängern verfügt. Viijay, der Hausmeister, ließ auch nicht lange auf sich warten. Zu meiner Überraschung war er aber lediglich mit einem Bauhelm, der ihm als Mopedhelm dient, bewaffnet. Ich versuchte mir meine Enttäuschung und Skepsis ob dieser Bekämpfungsmittel nicht anzumerken, hielt aber gleich mal einen gewissen Sicherheitsabstand. Leider wollte Viijay dann doch genauer wissen, wo sich der Eindringling nun befinde. Wir hatten kaum die Badtür geöffnet, da fiel, noch bevor ich meinen Finger vollends Richtung Eimer ausstrecken konnte, Batman von der Wand neben der Tür und klatschte wild flatternd wieder auf den Boden. Zu meiner Schande konnte ich wiederum nur sehr mädchenhaft reagieren: vor Schreck schreien und wegrennen. Ich habe dann von Sabines Zimmer aus die Verfolgungsjagd durch mein Zimmer beobachtet. Batman, aufgescheucht durch Viijays Helm, flüchtete aus dem Bad in mein Zimmer und hops in meinen Schrank! Viijay wollte dann, dass ich in meinem Schrank nachgucke, weil er nicht in meiner Unterwäsche wühlen wollte. Sorry, Viijay, aber da musste dann doch Schluss sein mit indischer Prüderie! Der Anblick meiner Unterhosen kann kaum schlimmer gewesen sein als der Blick auf das kleine schwarze Monster. Ich habe mich nicht aus Sabines Schutzraum bewegt. Irgendwann fiel Batman dann aus dem Schrank, versuchte an der Wand entlangzukraxeln, doch Viijay hielt ihn durch unerbittlichen Einsatz seines Mopedhelms davon ab, was Batman ein jämmerliches Quieken entlockte. Nichts von heldenhafter Wehrhaftigkeit zu sehen oder zu hören...
Letztlich siegte Mensch über Fledermaus. Batman ward über die Balkonbrüstung geschubst, und wird sich hoffentlich sobald nicht wieder in mein Hoheitsgebiet trauen! Anschließend bin ich gleich zum Supermarkt und habe mich mit Anti-Ungezieferspray bewaffnet, um mein Zimmer und mein Bad zu desinfizieren. Die Verkäufer, die ich auf der Suche nach dem richtigen Abwehrmittel um Hilfe aufscheuchte, waren arg irritiert von meinem Wunsch nach "something to kill"...

Tuesday, August 19, 2008

Dienstag, 12. August 2008

Mein Geburtstag also, und zum dritten Mal, wenn ich mich korrekt erinnere, habe ich diesen nicht in der Heimat gefeiert, sondern in der weiten Welt.
Der Geburtstag begann um Mitternacht mit Kerzen, etwas Süßem und einer Stola verpackt in einem Ständchen von Sabine.
Am Morgen desselben Tages kamen Micha und Moritz von ihrer 14tägigen Entdeckungsreise durch Südindien wieder. Wir haben uns gegen 7.30 Uhr an der New Delhi Train Station getroffen, ein unglaublich belebter Bahnhof mitten in der Stadt. Zu meiner Überraschung kamen die beiden überraschend pünktlich an. Im indischen Sinne waren sie sogar äußerst pünktlich, denn bei jeder Verabredung, die man hier trifft, muss man mit 15 - 30 Minuten Verspätung des zu Treffenden rechnen. In diesem Rahmen trudelte eben auch der Zug ein. Zwar auf Gleis 3 statt, wie angekündigt, auf Gleis 10, aber das hielt uns nicht davon ab, uns tatsächlich zu finden.
Nach einem gemeinsamen Frühstück daheim fand Teil I der geburtstäglichen Bescherung. Wie ihr wisst, ist das ein Prozedere, dass sich über den ganzen Tag hinziehen muss, damit ich so richtig Gefallen daran finden kann. Das schönste Geschenk musste mir Micha gleich am Anfang machen. Moritz hat diesen Moment wunderbar festgehalten:



Für alle, denen der englische Titel nichts sagt: es handelt sich bei diesem Wahnsinnsgeschenk um die Komplettserienfolgensammlung von "Fackeln im Sturm" - richtig, Patrick Swayze in jungen Jahren...

Nachmittags waren wir dann einkaufen, erst am Sarojini Nagar Market, wo sich Moritz bei einem Schneider zwei Hemden und einen Anzug hatte anfertigen lassen, und dann am Khan Market, einem Markt der vor allem ein westliches Publikum anspricht. Dort gab es dann auch zur Krönung des Tages leckeren Kuchen im "Big Chill".
Abends hatte ich meine alten und neuen Freunde und Bekannten zum Abendessen in einem südindischen Restaurant in der Innenstadt eingeladen. Es ist eine nette Runde bestehend aus 11 Leuten zusammengekommen.
Anschließend sind wir noch auf einen Absacker in eine Bar gegangen, wo es endlich auch mal ein wenig Olympia zu gucken gab. Allerdings wieder mal nur die Highlights des Tages, die von chinesischen und indischen Sportlern und ihren (pseudo-)Erfolgen dominiert wurden. Das deutsche Fernsehen würde beispielsweise den Schießwettbewerben (Lufgewehr) nie eine derart lange Sendezeit einräumen, wie das hier in Indien der Fall war. Wieder und wieder wurde der Sieg von Abhinav Bindra ausgewertet. Ganz Indien schien von nichts anderem mehr zu reden, bis man sich wieder Cricket zuwendete. Von sportjournalistischer Objektivität kann entsprechend kaum die Rede sein. Weiteres "Highlight" des Barbesuchs: es wurde "Cosmopolitian" serviert. Ich habe es gewagt, leider spiegelte sich die Verfehlung in der Bezeichnung, nomen est omen, auch geschmacklich wieder...
Dank der vielen Menschen, nicht nur hier in Indien, sondern auch im Rest der Welt, die letzten Dienstag an mich gedacht haben oder die den Tag mit mir verbracht haben, war es ein sehr, sehr schöner Geburtstag. Danke!

Shoppen und Kuchenessen im "Big Chill" am Khan Market:


Die Gäste am Abend:


Micha und Moritz

Nishant

Ingo, Jai und Sabine

Christina
Felix und Matin

Rachel


Jesse


Gruppenbild mit Dame

Essensimpressionen
:


Thali


Masala Dosa

Special Dosa

Besondere Grüße gingen am 12.08. auch nach Kanada...

Wednesday, August 6, 2008

Durch den Monsun



Heute hat es zum ersten Mal, seit ich hier bin, stark und ausdauernd geregnet. Ansonsten war der Monsun bisher nicht so, wie ich es erwartet hatte. Aber laut einem Artikel des "Hindu" wäre der Klimawandel auch im Hinblick auf den indischen Monsun zu spüren. Eigentlich fiele die Hauptregenmenge im Juli, seit den letzten Jahren sei der Juli im Schnitt zu trocken, dafür regne es im Juni und August überdurchschnittlich viel. Zudem setzt die Regenzeit früher ein. Das bestätigten auch Leute hier vor Ort.

Tuesday, August 5, 2008

Namaste, Bharat!


Mit dem heutigen Tage bin ich nun bereits zwei Wochen in New Delhi. Zeit, einmal Revue passieren zu lassen, was in diesen, zugegeben sehr ereignisreichen Tagen seit meiner Ankunft alles passiert ist, und damit euch, liebe Daheimgebliebene, auf den neuesten Stand zu bringen.

Die ersten sechs Tage, an denen auch Micha und Moritz mit mir in Delhi waren, haben wir größtenteils auf dem Campus der Jawaharlal Nehru University (JNU) verbracht. Das Centre of German Studies hatte eine Suite im Guesthouse für mich gebucht, wo wir die ersten Nächte unterkamen. Das Wort 'Suite' mag Assoziationen hervorrufen, denen die Räumlichkeiten nicht gerecht werden würden. Mittlerweile weiß ich jedoch, das diese (saubere) Unterkunft mit Klimaanlage, Kühlschrank, TV und "Sitztoilette" für indische Verhältnisse geradezu königlich war. Der Haken bei der ganzen Geschichte war nur, das ich erst beim Auschecken erfahren habe, das dieser ganze Luxus auf meine Kosten ging. 'Gebucht' bedeutete also nicht auch gleich 'bezahlt'. Damit waren dann gleich einmal INR 6000 (ca. 91 Euro) weg.

Mittwoch und Donnerstag dienten zur Einführung in die Welt der indischen Bürokratie. Und, liebe Leute, dass mir ja niemand mehr über die deutschen Beamten meckert! Mittwoch verging im Grunde ohne, dass tatsächlich etwas passiert wäre. Die meiste Zeit habe ich mit rumsitzen verbracht. Richtigerweise muss ich 'wir' sagen, denn nicht nur Micha und Moritz waren neugierig, diesen Teil der indischen Kultur kennen zu lernen, sondern zwei indische Master-Studentinnen hatten die bemitleidenswerte Aufgabe, mich durch den Verwaltungsdschungel zu führen und mich vor allem über die Sprachbarriere zu schubsen. Denn, auch das eine Überraschung, mit Englisch kommt man auf Verwaltungsebene nicht allzu weit. Den Rest des Tages haben wir damit verbracht, Unterlagen und Dokumente von A nach B zu tragen, meinen Ausweis samt Visum dutzendfach zu kopieren und Passbilder machen zu lassen. In Indien wird noch alles schön mit der Hand geschrieben und in dicken Papierakten abgeheftet (eigentlich mit Hilfe eines Fadens aufgefädelt und zwischen die Aktendeckel gelegt). Auf jedem ausgefüllten Dokument tront zudem mein ironisch lächelndes Anlitz. Und Papa, falls Du das liest, Deinen Namen kennt man jetzt in Indien. In jedem Formular wird neben der eigenen Identität auch immer nach dem Namen des Vaters oder des Ehemanns gefragt (unnötig zu erwähnen, dass der Name der Mutter bzw. der Ehefrau irrelevant ist ... ).

Jedenfalls fehlte ständig ein Brief oder ein Gesuch, dann wurde man wieder auf später vertröstet. Am später Mittwoch nachmittag war es endlich so weit. Ich durfte eine Seite meines Antrages auf Erteilung eines Wohnheimzimmers wieder mitnehmen und zur Senior Warden, Dr. Arif, ins Yamuna Hostel bringen. Das Yamuna Hostel, benannt nach dem Fluss Yamuna, ist ein Frauenwohnheim für arbeitende Frauen. Grundsätzlich sind alle Wohnheime auf dem Campus schön nach Männlein und Weiblein getrennt, sodass es, oh weh oh weh, ja nicht zu skandalösen Vorfällen der Geschlechtermischung oder gar -vereinigung kommen kann. Dr. Arif führt das ihr unterstellte Wohnheim wie eine Gefängnisdirektorin. Sie entscheidet, wer rein und raus darf, wer umziehen darf, wer wann Besuch mitbringen darf etc. Mit mir konnte sie an jenem Mittwoch jedoch gar nichts anfangen, denn eine weiße Frau aus Europa war ihr bisher noch nicht untergekommen, entsprechend passte ich in keine der Kategorisierungsschubladen. Die Mädels haben ihr Bestes getan, um die Situation verbal zu veranschaulichen. Schließlich wurde ich aber mit dem Verweis abgewatscht, ein einseitiges Antragsformular sei ja wahrlich nicht genug. Sie wolle bitte schön alle Briefe und Unterlagen zu meiner Person und zu meinem Aufenthalt auch in ihrer Akte ablegen. Also trollte ich mich verunsichert von dannen, um es am Donnerstag in Begleitung von Dr. Madhu Sahni vom Centre of German Studies noch einmal zu versuchen. Madhu hatte schon am Telefon deutlich gemacht, dass etwas mehr Kooperation angebracht sei und bestand auf eine Unterhaltung "face-to-face", wie sie sich ausdrückte.

Man glaubt gar nicht, was eine klare Ansage alles bewirken kann. Madame Arif war plötzlich die Freundlichkeit in Person. Natürlich hätte sie für alles Verständnis (obwohl sie bis heute überhaupt nichts versteht...), aber man müsse doch auch sie, Sklavin der Bürokratie, verstehen. Naja, das haben wir ja auch und sie bekam ihren dicken Papierstapel, den sie einmal kurz durchblätterte (vermutlich, um die Seiten zu zählen) und dann abfädelte. Plötzlich gab es auch ganz viele Zimmer, die frei waren, und sie nahm uns gleich mal mit auf eine Wohnheimtour. Tja, da stand ich nun, Insassin des Yamuna Hostels. So richtig konnte ich mich über meinen bürokratischen Sieg nicht freuen. Und dabei hatte das Hostels mir sogar ein Empfangskomittee organisiert: zwei dicke Kröten, die sich in meinem zukünftigen Zimmer schon so richt eingeschis ...äh ... eingelebt hatten. Ich habe mich dann übers Wochenende in meine Luxussuite geflüchtet und den Einzug verschoben. Am Montag (28.7.) übernahm ich also voller positiver Gedanken mein Zimmer, habe es so gut es ging sauber gemacht und ein wenig, der Gemütlichkeit halber, ausgepackt. Wenn Inderinnen und Mädels aus anderen asiatischen Ländern im Yamuna leben könnten, sollte doch auch ich das schaffen. Mal alle Vorbehalte verdrängt, die komfortable deutsche Toilette und die schöne saubere Badewanne vergessen und schwups eine erste Erfrischung im Yamuna-Gemeinschaftsbad gegönnt. Das Toilettenerlebnis war tatächlich zum Angewöhnen, solange man vergisst, was einem möglicherweise alles in den Hintern krabbeln kann, wenn man diesen zulange in Hockposition über das Loch hält. Denn diese Toiletten sind tatsächlich hygienischer, weil man nicht in Versuchung kommt, sich auf eine verkeimte Klobrille zu setzen. Weiterhin frohen Mutes also unter die Dusche! Naja, und da verließ mich Weichei dann aller Mut und jegliche gute Laune. Umzingelt bzw. eingewoben von Spinnen, Grillen und Käfern diverser Natur fühlte ich mich plötzlich gar nicht mehr wohl in meiner nackten Haut. Aus dem Duschen wurde eher eine Katzenwäsche, wodurch ich pünktlich für das Aufeinandertreffen mit einer dicken Kakerlake aus der Dusche trat. Eine dieser Abart verirrte sich später auch noch in mein Zimmer.

In diesem Moment war für mich klar, zu derlei Integration würde ich nicht in der Lage sein, zumindest nicht über sechs Monate hinweg. Ermutigt von Micha und Moritz nach Alternativen zu meiner 4qm Zelle mit tierischen Untermietern zu fragen, suchte ich das Gespräch mit den Professoren des CGS. Dadurch drang meine Beschwerde auch an Frau Kochers deutsches Ohr, die mich in einem Telefonat dazu aufforderte, aus dem Wohnheim zuzuziehen, aber pronto! Die indischen Studierenden hätten in Berlin auch vernünftige Unterkünfte gehabt.

Glücklicherweise lebt seit geraumer Zeit ein besonders lieber Mensch in Delhi, die Sabine nämlich (siehe tote-froesche), die mich zur Abfederung aller Anfangsschwierigkeiten für ein paar Tage in ihre Wohnung einlud. Aus ein paar Tagen sind nun eine Woche geworden. Am 31.7. habe ich versucht aus dem Wohnheim auszuziehen, denn die Miete, die 15% meines Einkommens betragen sollte (das wären INR 7312 oder ca. 111 Euro), wird pro Kalendermonat, nicht je verbrachtem Tag berechnet. Leider hatte ich mal wieder Madame Warden unterschätzt. Fehler No. 1: ich kam schon wieder mit einer indischen Studentin in die Sprechstunde unserer Hoheit. Fehler No. 2: zu denken, frau könne ohne Genehmigung und sofort das Zimmer kündigen und räumen. Fehler No. 3: zu denken, frau dürfe ihre privaten Sachen ohne "Gatepass" aus dem Zimmer nehmen. Sehr interessant, wenn man bedenkt, dass es nicht mal eine Matratze für das Bett gab.

Nein, ich hätte 15 Tage vor dem anvisierten Auszugstermin einen dreiseitigen Antrag zur Erteilung einer Auszugsgenehmigung einreichen müssen. Das hätte dann also spätestens am 16.7. passiert sein müssen. Es sei nur mal so angemerkt, dass ich an diesem Tag noch nicht einmal im Besitz eines Einreisevisums für Indien war... . Sie sei doch nur "a humble servant" und könne nicht allein über den Auszug entscheiden. Die Entscheidung darüber und über anfallende Gebühren träfe das Wohnheimkomittee. Nun gut, sie erteilte mich nach langem Diskutieren die Gnade, das 3seitige Formular ausfüllen zu dürfen und meinte, sie täte ihr Bestes, dass ich nichts mehr zahlen müsse. Bisher hätte ich ja auch noch nichts gezahlt. Was man so nicht sagen kann, denn ich habe dem Hostel INR 5725 bar übergeben. Was sie meint, ist, dass darin lediglich INR 750 für die Miete enthalten sind, der Minimumbetrag für geringverdienende Hostelinsassinnen, und das sei ja bitte schön nichts im Verhältnis zu der eigentlich von mir abzuführenden Summe. Übrigens, auch dieses Bild möchte ich mit euch teilen: Nachdem ich anhand des deutschen Schreibens mit dem Schreiberling der Warden, der stets in militärisch breitbeiniger Pose mit hinter dem Rücken verschränkten Armen Befehle entgegennimmt, meine Monatsmiete errechnet hatte, konnte dieser gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Meine Frage, ob es denn neben einer Mininalmiete auch einen Höchstsatz gäbe, wurde mit einem verlachten "No, no limit!" beantwortet. Ich denke, mit mir ist ihnen ein ganz fetter Fisch durch die Finger geflutscht... Das Zimmer habe ich also noch mindestens bis zum 15.8. und ich warte auf den Freilassungsspruch der Warden.

Mittlerweile gibt es einen neuen Chair im Centre, der unglaublich nett und hilfsbereit ist. Er hat organisiert, dass ich mir einmal die Unterkunft der Sprachassistentin vom vergangenen Semester angucken darf, die entgegen aller vorherigen Auskünfte nämlich gar nicht neu vermietet ist, sondern mir zur Verfügung stehen würde. Jedoch habe ich mich aufgrund der ganzen Anfangsprobleme dazu entschlossen, mir selbst ein Zimmer in einer WG zu suchen, um ein wenig weiter in der Stadt und vor allem gleich unter Menschen zu sein. Diese Zimmersuche nahm dann gestern eine erstaunliche und unglaublich schöne Wendung dadurch, dass sich Sabines neue Mitbewohnerin entschloss, in ihre alte Wohnung zurückzuziehen. Damit darf ich nun offiziell verkünden, dass ich einen festen Wohnsitz in New Delhi habe!

Am Montag habe ich zudem das erste Mal unterrichtet. Die zwei Stunden verliefen sehr gut (was auf meiner Seite daran lag, dass die lieben Studis gleich mal einen Test schreiben durften ...) und ich bin ganz optimistisch, das die Zusammenarbeit mit den Studierenden gut funktionieren wird. Neben diesem Grammatikkurs werde ich ab dem 18.8. den Konversationskurs der Anfänger leiten. Dank Sabines weitverzweigten Beziehungen werde ich ab kommendem Montag zusätzlich für zwei Stunden die Woche mit zwei "Botschaftskindern" Literaturunterricht machen, damit sie langfristig auf das deutsche Abitur vorbereitet werden.

Wie ihr lest, darf ich nun behaupten, in Delhi angekommen zu sein. Die Startschwierigkeiten sind vergessen, denn in der neuen Wohnung fühle ich mich sehr wohl. Hier gibt es nur kleine und größere Geckos, die aber total ungefährlich und sehr schüchtern sind. Sie hängen halt gerne an Wänden rum, und das sei ihnen doch gegönnt. Jetzt gilt es endlich, Delhi zu entdecken, und mich durch den tutoralen Alltag an der JNU zu wurschteln. Davon werde ich euch dann demnächst berichten.