Friday, November 14, 2008

Mushaira - Poesie auf Urdu

Am 9. November 2008, jenem historisch bedeutsamen Tag, erlebte ich ein minder bedeutsames, aber dennoch sehr interessantes Ereignis: ein Mushaira on the occasion of Jashn-e-Iqbal.
Ein Mushaira (für alle Liebhaber der deutschen Sprache: ich habe dem Begriff ein spontan gewähltes Genus verpasst, da ich völlig ahnungslos bin, mit welchem deutschen Wort man es am besten gleichsetzen sollte) ist ein Abend der Poesie auf Urdu, um es knapp auf den Punkt zu bringen. Es ist also eine Veranstaltung, bei der Dichter ihre auf Urdu verfassten Gedichte vortragen, häufig geschieht das in Konkurenz zu den anderen Vortragenden. Die Vortragsweise ist dabei nicht unerheblich, denn es gilt darum, die Aufmerksamkeit und die Zustimmung der Zuhörer zu gewinnen. Darüber hinaus sollen die Gedichte auch eine bestimmte Struktur haben, scheinbar vergleichbar mit einem Sonett. Da das aber die Erklärung einer einzelnen Person war, möchte ich für die Richtigkeit der Aussage nicht bürgen. Meine unzureichenden, um nicht zu sagen nicht vorhandenen Urdu-Kenntnisse machten es mir unmöglich, die These selbst zu überprüfen. Für alle Urdu-Sprecher und -Liebhaber unter euch sei an dieser Stelle auf die kurzen Mitschnitte am Ende des Eintrags verwiesen, vielleicht gelangt ihr zu größerer Erkenntnis. In jedem Fall arbeiteten die Vortragenden häufig mit Wiederholungen, einzelne Zeilen wurde nicht nur einmal, sondern sofort ein zweites Mal vorgetragen. Die zweite Besonderheit dieses Poesieform ist, dass der Zuschauer eingebunden wird. Bevor der Vortrag beginnt ruft das Publikum "Irshad" (Erzähl!). Des Weiteren muss das Publikum den Vortrag kommentieren, was meist durch ein mehrfach wiederholtes "wah wah " (Bravo!) geschieht. Ausbleibende Kommentare bedeuten für den Vortragenden, dass das Gedicht keinen Gefallen beim Publikum findet. Das kann bei der sensiblen Dichterseele durchaus heftige (beleidigte) Reaktionen auslösen...Nicht alle DichterInnen haben ihre Gedichte im herkömmlichen Sinne vorgetragen, zwei sangen sie. Das machte das Ganze etwas abwechslungsreicher.


Veranstaltungsort war das India Islamic Cultural Centre.


Der ganze Abend war zu Ehren Muhammad Iqbals (1877-1938), einem bekannten Philosophen und Dichter. Obwohl Iqbal vor der Teilung Indiens lebte und wirkte, gilt er als pakistanischer Nationaldichter - zum einen weil er im heute pakistanischen Punjab geboren wurde und zum anderen weil er sich politisch aktiv (in der All India Muslim League) für einen muslimischen Staat einsetzte ( “spiritually ... has been the chief force behind the creation of Pakistan.” ). Iqbal erwarb seinen Doktortitel interessanterweise an einer Münchner Universität. Vielleicht wurde er in dieser Zeit auch auf Goethe aufmerksam, obwohl er seine Doktorarbeit über "The Developement of Metaphysics in Persia" schrieb. In jedem Fall verfasste er eine Antwort auf Goethes "Westöstlichen Divan". Dies ist insofern spannend, da Goethe die Arbeit am "Westöstlichen Divan" begann, nachdem er den Divan des persischen Dichters Hafiz gelesen hatte. Hier findet also anscheinend ein westöstlicher Dialog statt.


"Payam-i Mashriq is an answer to West-Istlicher Divan by Goethe, the famous German poet. Goethe bemoaned that the West had become too materialistic in outlook and expected that the East would provide a message of hope that would resuscitate spiritual values. A hundred years went by and then Iqbal reminded the West of the importance of morality, religion and civilization by underlining the need for cultivating feeling, ardour and dynamism. He explained that life could, never aspire for higher dimensions unless it learnt of the nature of spirituality. " (www.allamaiqbal.com)



Dieses Bild (oben) soll Zeugnis dafür sein, das die Veranstaltung insgesamt sehr amateurhaft organisiert war. Der zeitliche Ablauf war komplett chaotisch, anstatt die "tanzenden Engel" (eine Gruppe indischer Mädchen, die in Engelskostümen einen Tanz aufführten) vor dem Essen auftreten zu lassen und dann die Zeit zur Umgestaltung zu nutzen, passierte dies vor den Augen der wartenden Zuschauer. Dabei kam es dann sogar noch zu einem kurzen Eclat. Man legte die Bühne mit Teppichen aus, auf denen die Vortragenden sitzen konnten. Der Vorrat reichte jedoch nicht, sodass man zu Papierbahnen überging. Ein solcher Papierstreifen war jedoch zuvor ein Banner gewesen und war entsprechend mit einem Urdu-Text versehen. Als sich der erste auf den entsprechenden Teil setzte, sprang ein Mann aus dem Publikum auf und regte sich lautstark darüber auf. Anscheinend setzt man sich nicht auf Urdu-Schrift...Der Papierstreifen wurde eingerollt und eine neue Unterlage musste besorgt werden.

Sehr viel Zeit wurde im Endeffekt mit Teetrinken verbracht (Erinnert das Geschirr noch jemanden an Mitropa-Geschirr??), denn unsere (Nanu, Adil und meine) Aufmerksamkeitsspanne war doch sehr gering. So faszinierend ich das Ereignis insgesamt fand, so ermüdend war es trotzdem, da ich kein Wort von dem verstand, was rezitiert wurde. Es war also quasi ein schönes "Urdu-Lulluby". Als wir die Veranstaltung gegen Mitternacht verließen, war man immer noch nicht fertig, und das, obwohl schon seit drei Stunden fleißig gedichtet worden war. Aber es sollte ja auch jeder zu Wort kommen.

Hier einige akustische Impressionen. Wer sich angeregt fühlt - im Kommentar darf fleißig gedichtet werden! Iqbal würde sich bestimmt freuen.

Jama Masjid in Old Delhi









Jama Masjid ist die größte Moschee Indiens. Sie befindet sich ganz in der Nähe des Chadni Chowk, im Herzen Old Delhis. Um zur Moschee zu gelangen, muss man sich zunächst durch das Gewusel Old Delhis kämpfen, zum Teil durch kleine Straßen, in denen es von Menschen und Fahrzeugen nur so wimmelt. Die ersten Bilder sollen einen kleinen Eindruck vermitteln, was man auf dem Weg von der Metro (Chadni Chowk) bis zur Jama Masjid sehen und erleben kann.





Leider war es mir nicht möglich, ein deutlicheres Bild zu machen. Aber ich hoffe, man kann im Hintergrund erkennen, dass sich an einer Hauptverkehrsstraße eine Müllsammelstelle befindet.D.h. in diese Hausbaracke wurde einfach Müll geschüttet. Es stank sehr unangenehm, aber gleichzeitig war und ist es ein ganz normaler Teil dieser Straßenszenerie Old Delhis.



Auf diesem Bild (oben) sieht man einen Sikh-Tempel, den man auf Hindi "Gurdwara" nennt. Gurdwara Sis Ganj ist dem neunten Sikh-Guru, Guru Tegh Bahadur, gewidmet, der im Jahre 1675 an gleicher Stelle auf Geheiß Aurangzebs, dem Mughal-König in dieser Zeit, geköpft wurde, weil er sich angeblich weigerte, zum Islam zu konvertieren. Aurangzeb konnte den Sikhs nicht verzeihen, dass sie im Kampf um die Thronfolge nicht ihn, sondern seinen Bruder unterstützten.


Auf dem Bild (oben) sieht man Sikhs in typischer Erscheinung. Dazu gehören der Turban, der das ungeschnittene Haar (kes) bedeckt, und der (unterschiedlich lange) Bart, ein kleines Schwert (kirpan), des Weiteren ein eiserner Armreif (karra), ein Holzkamm zur Haarpflege (kangha) und Shorts (ursprünglich ein Lendentuch, kaschaira). Der Herr in blau trug allerdings einen gewaltig großen Turban, wie man ihn normalerweise nicht sieht. Vielleicht kennzeichnet der seine besondere Position in der Gemeinde.



Interessant finde ich immer wieder die Masse an Werbung, die man entlang der Straßen sieht und die häufig an völlig heruntergekommenen Häusern angebracht sind. Das ist eine dieser Absurditäten oder Gegensätze, die man überall in Delhi finden kann. Hier ist es einerseits der Anreiz zum Konsum, wo andererseits offensichtlich kaum Geld vorhanden ist. Gleichzeitig lässt sich auch der Gegensatz zwischen Alt (das alte Delhi) und Neu (das moderne Delhi), zwischen Vergangenheit und Moderne festmachen. Zeiten prallen auf engem Raum aufeinander und überlappen.


Die Kameraführung ist etwas Blair-witch-mäßig, weil ich den Photoapparat beim Laufen möglichst unauffällig mitlaufen ließ. Das mag entschuldigt sein. Ich habe mit dem Film versucht, Old Delhi akkustistisch einzufangen.



Leider habe ich etwas zu spät den Auslöser betätigt. Ich wollte ursprünglich das Pinkelverhalten männlicher Großstädter festhalten. Der junge Mann im Hintergrund hat nämlich eben mal sein Fahrrad am Fahrbahnrand abgestellt und sich in die Mauerecke gehockt, um sich zu erleichtern.Diese und ähnliche Bilder, besonders häufig an Mauerzeilen, sieht man überall in Delhi, und das, obwohl es für Männer sogar öffentliche Pissoirs gibt! Für Frauen gibt es keinerlei "Public Convenience", wie man öffentliche Klos hier tatsachenverschleiernd nennt, und doch sieht man sie auch nicht hockend am Straßenrand ihre Notdurft verrichten...


Hier zu sehen: eine Fahrradrikshaw.


Am Ende der Straße erhebt sich dann die Jama Masjid (unten): Der Blick von den Stufen der Moschee runter auf die Straße.

Der Eingang zur Moschee:






Der "Shoe-" und "Gatekeeper".
Vor dem Betreten der Moschee muss
man die Schuhe ausziehen.
















Im Innenhof der Moschee:

















Gebetstücher (Janemaaz). Zum "Jumah Namaz" (freitags zwischen 1.30 und 2 Uhr) werden diese z.B. gebraucht, da die Moschee zu diesem Zeitpunkt bis auf den letzten Platz gefüllt ist, denn wenn möglich, soll man(n) einmal die Woche mit anderen zum Gebet zusammenkommen. Die Gebete dürfen nicht auf nacktem, dreckigem Untergrund ausgeführt werden.



















Im Inneren der Moschee.
Frauen beim Gebet; Männer im Gespräch.
















Ein Inneres gibt es bei einer Moschee in dem Sinne gar nicht, zumindest nicht, wie man es von Kirchen oder Synagogen kennt, die geschlossene Gebäude sind. Es gibt lediglich einen überdachten Teil, der aber nach drei von vier Seiten offen ist. Die größte Fläche der Moschee ist der Innenhof, der nicht überdacht ist (siehe Bilder oben). Der Hauptteil der Moschee ist gen Mecca ausgerichtet, d.h. die Muslime, die man auf den Bildern beten sieht, beten mit dem Gesicht gen Mecca.












Vandana weds Subbu


Am 31. Oktober sollte ich eigentlich "meine erste indische Hochzeit" erleben. Wie immer kam im Endeffekt alles anders, als es geplant war. Daran muss sich frau leider in Indien gewöhnen. Nicht dass ich nicht da gewesen wäre. Die Bilder belegen, dass ich den Ort des Geschehens selbst schon erkunden durfte, den eigentlichen Akt habe ich jedoch verpasst. Überraschenderweise hatte es das Brautpaar extrem eilig, unter die Haube zu kommen bzw. den Deal zu besiegeln.

Normalerweise finden in Indien Hindu-Trauungen zu den unmöglichsten Zeit statt, z.B. 3 Uhr nachts oder 5 Uhr morgens. Der Priester bestimmt, zu welchem Zeitpunkt die Zeremonie stattfinden muss, damit die Ehe unter einem guten Stern steht. Das Problem bei der Geschichte "Vandana weds Subbu" ist, dass sich Subbu nicht zum ersten Mal getraut hat, sondern es vielmehr der zweite Versuch ist... Unter "orthodoxen" - oder sagen wir traditionsbewussten - InderInnen wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, sowohl sich scheiden zu lassen als auch sich erneut zu vermählen. In Indien werden noch Bündnisse fürs Leben geschlossen, ob man's glauben mag oder nicht; obwohl natürlich die Frage, wie viele dieser Ehen tatsächlich glücklich sind, auf einem ganz anderen Blatt steht. Meine Mitbewohnerin Anna, die für ihre Doktorarbeit in der Geographie in einer "unauthorized colony" Recherche betreibt, berichtete mir von jungen Hindu-Frauen um die 20, die von ihren Männern sitzen gelassen wurden und nun ein einsames Dasein fristen, weil sie nicht die Möglichkeit haben, erneut zu heiraten, d.h. in Indien keine von der Gesellschaft legitimierte Beziehung eingehen zu dürfen. In derselben Situation befinden sich Hindu-Witwen (wenn sie das Glück haben, nicht mit ihrem Mann verbrannt zu werden...).

Der gehobene Mittelstand - um nicht zu sagen das Bildungsbürgertum - der Großstädte nimmt es dahingehend zunehmend nicht mehr so genau mit der Tradition. Subbus Beispiel belegt, Scheidung und Wiedervermählung sind durchaus möglich, jedoch nicht ganz frei von Risiko. Nachdem der Priester entschieden hatte, dass jeder Zeitpunkt ein glücklicher sein würde, haben Vandana und Subbu die Trauungszeremonie bereits gegen 21Uhr hinter sich gebracht; und da bei meinem Erscheinen eine Viertelstunde später schon alles vorbei war, haben sie offensichtlich auch die kurze Variante gewählt. Die Länge der Zeremonie wird übrigens durch das Gehalt des Priesters bestimmt, d.h. um so mehr man bereit ist, ihm zu zahlen, um so mehr Zeit bringt auch der Priester mit. Er will ja schließlich auch glücklich werden. Jedenfalls sollte durch eine frühe Zeremonie und damit ein schnelles Ende der Feierlichkeiten (gegen Mitternacht) verhindert werden, dass es im Rausche des Alkohols doch noch zu Peinlichkeiten kommen würde, sprich dass Tante, Opa, Cousin oder Nachbarin auf die Idee kommen, den Bräutigam für seine "Freveltaten" anzuzählen.

Dem Brautpaar war es wohl aber auch dahingehend ganz recht, frühzeitig zum "Honeymoon" ins Sheraton zu kommen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine Woche mit Zeremonien verbracht hatten, dazu gehört u.a. das Bemalen der Braut mit Henna, und die Trauung auch noch längst nicht das Ende der Prozedur darstellte. Am Samstag abend, dem Abend nach der Trauung, gab es dann eine Party nur für die Freunde, Sonntag folgte ein Lunch mit der Familie, Montag gab es noch ein letztes Ereignis im Familienkreis, und am Dienstag durfte das Brautpaar endlich in die Flitterwochen verschwinden.

Zu indischen Hochzeiten ist im Übrigen fast jeder eingeladen, nicht nur Freunde oder Familienangehörige (die allein schon eine Unmenge von Menschen ausmachen können, wenn man bedenkt, dass in Indien selbst entfernte Cousinen und Cousins den Status von Schwestern und Brüdern haben), sondern auch Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde von Anverwandten (wie in meinem Falle) etc. The more the merrier. Niemand soll und darf ausgeschlossen werden, denn Hochzeiten sind wichtige soziale Ereignisse. Mehrere hundert Gäste sind nicht selten und auch gar nicht viel. Erst jenseits der 1000er-Marke kann von Großereignissen gesprochen werden.

Im Folgenden also ein paar visuelle Eindrücke der Feierlichkeiten:

Das Eingangstor zum "Liebesgarten"


Die Lichterdekoration war ganz gelungen. Man hatte in die Bäume Spiegelketten und Kerzen in roten Gläsern gehängt. Das erzeugte einen ganz schönen Lichteffekt.


Zur Erklärung sollte man wissen: Subbu und Vandana sind weder extreme Flugzeugliebhaber noch Angehörige des Militärs, sondern die Trauung fand auf dem Gelände der Air Force statt, was aber wiederum bedeutet, irgend jemand aus der Familie ist in der Air Force oder hat gute Beziehungen zu dieser. Das Flugzeug war als Hintergrunddekoration tatsächlich DAS Hightlight...



Das Brautpaar stand vor diesem Aufsteller. Als Gast musste man dorthin spazieren, das Geschenk überreichen, beiden die Hände schütteln, Glückwünsche verbal übermitteln und dann wurde ein gemeinsames Foto geschossen. Es hatte etwas von "meeting the king and queen", vor allem angesichts Subbus herrschaftlichem Kopfschmuck...

So saß man dann beisammen. Im Hintergrund befand sich das Buffet...

... und an der Seite die Bar.

Hier ein Beispiel dafür, dass sich doch der ein oder andere die Mühe gemacht hat, besonders gut auszusehen. Die meisten waren doch tatsächlich in alltäglichen Saris oder Churida/Patiala/Pyjama-Kurta-Kombinationen gekommen. Sehr enttäuschend, obwohl gleichzeitig sehr indisch. Doch ein wenig eleganter hätte das ganze doch ausfallen können...

Tuesday, November 11, 2008

Paketverschicken leicht gemacht

Heute wieder eine Lektion:
Aus dem Leben gegriffen oder Paketverschicken leicht gemacht


Nun gibt es doch in Indien tatsächlich Dinge, die gibt es in Deutschland nicht. Jaja, es gibt natürlich eine Menge Dinge hier, die es in Deutschland nie geben würde. Aber ich meine jetzt weniger Ereignisse, Verhaltensweisen etc., sondern ganz konkret Produkte. So bat mich eine Bekannte aus Berlin, ihr Produkte der Firma Himalaya zu schicken. Sie ist eine bekennende Indienliebhaberin und ein ebenso großer Fan homöopathischer Medizin, oder aryuvedischer Medizin. Diese besorgte ich ihr nun also und das Ganze musste noch Deutschland verschickt werden. Das gab mir zum ersten Mal die Möglichkeit, das ganze Vergnügen des Paketverschickens voll auszukosten.
Zunächst besorgte ich mir beim Tante Emma Laden um die Ecke einen Karton. Den musste ich passgerecht zusammenbasteln, damit auch nichts wackelt und doch alles sicher verpackt ist. Anschließend fuhr ich mein Paketchen zum Malviya Nagar Market, wo die WG einen Schneider des Vertrauens hat - Shaheet.



Wie zu sehen, bekam Shaheet die Aufgabe, das Paket in Stoff einzunähen. Erst wurde eine Bahn mit der tollen Nostalgika-Nähmaschine genäht, und dann wurde die Seiten mit Hilfe einer Riesennadeln und Zwirn angepasst. Der ganze Spaß kostete INR 50 inklusive Stoff (also weniger als einen Euro).


Zurück zu Hause musste ich dann die Nähte mit Siegelwachs versiegeln. Das war eine schweinische Arbeit! Drei-, viermal stand Wachs und Stoff in Flammen. Ich sah schon das ganze Haus abbrennen wegen dieser Aktion. Aber alles ging im Endeffekt gut und wie man sehen kann, war das Päckchen am Ende doppelt und dreifach gesichert.




Dann bin ich damit zur Post marschiert. Ich bin tatsächlich gelaufen, weil es ein schöner Tag war und die Post eigentlich gleich um die Ecke sein sollte. Leider habe ich sie aber beim ersten Versuch nicht finden können. Deshalb bin ich erst auf den Markt und habe für einen Freund Wäsche aus der Wäscherei geholt. Mit drei großen Tüten plus Päckchen beladen bin ich dann wieder zurück und siehe da, dank Schleichweg stieß ich dann doch auf die Post, die sehr unscheinbar in einer Seitenstraße liegt. Erstaunlicherweise war in der Post gut was los. Also reihte ich mich ein und wartete brav. Als ich eine Viertelstunde später endlich dran war, machte mich der Postbeamte darauf aufmerksam, dass gar keine Adresse draufstünde. Sagt einem ja auch keiner, wie es genau gemacht werden soll. Die Etiketten, die sie drucken, sind anscheinend nicht für Pakete geeignet. Er hieß mich also die Adresse raufschreiben, aber "Sorry, Madame. No pen!" Da wurde ich langsam ganz schon angefressen. Denn dummerweise hatte ich keinen Stift bei. Der Männer in der Schlange sahen mitleidig zu mir. Irgendeiner sagte zum anderen, dass man Madame vielleicht helfen sollte. Schließlich bin ich zu einem anderen Schalterbeamten und siehe da, man hatte doch einen Stift. Also habe ich die Adresse draufgemalt und habe mich wieder in die Schlange eingereiht.

Mittlerweile hatte es einen Schichtwechsel gegeben. Der Herr, der jetzt hinter der Scheibe saß, war a) sehr unfreundlich und hatte es b) überhaupt nicht eilig. Lieber schlürfte er alle zehn Sekunden an seinem Tee anstatt mal in die Tasten zu hauen. So verging bestimmt noch einmal eine Viertelstunde, bis ich wieder dran war. Und auch dieses Mal wurde ich mein Paket nicht los, denn ich hatte nicht genügend Geld. Der ganze Spaß kostete fast 1000 Rs. (mehr als der Wert des Inhalts) und mit soviel hatte ich nicht gerechnet. Vor mich hin meckernd klemmte ich mir meine Tüten samt Paket unter den Arm und stapfte nach Hause. Dort lud im mein Portemonnaie auf und radelte wieder zurück zur Post. Glücklicherweise war die Schlange inzwischen fast abgearbeitet, sodass ich das Päckchen endlich loswerden konnte.

Als ich übrigens vor ein paar Tagen auf der Post wieder mal etwas aufzugeben hatte, machte mich doch ein anderer netter Beamter darauf aufmerksam, dass ich mich als Frau nicht in die lange, von rechts kommende Schlange einreihen müsse, sondern mich einfach links hinter die einzig noch wartende Frau stellen könne. So verkürzte sich die Wartezeit enorm. Ich hatte von dieser vorteilhaften Geschlechtersegregation schon gelesen und sie auch schon einmal am eigenen Leib erfahren (beim Busfahrkartenkauf in Dehradun), aber als gut erzogene Deutsche drängelt frau sich dennoch nicht einfach unaufgefordert vor. Was im Übrigen meinem Copy-Wallah des Vertrauens gegenüber einem anderen Kunden einmal zu der Bemerkung verleitete: "Madame is always so patient". Naja, aber "Madame's patience" kann auch schnell eine Grenze erreichen...