Sunday, February 22, 2009

Amritsar - Golden Temple und Wagah Border

Am letzten Januarwochenende habe ich mich zusammen mit Freunden auf den Weg nach Amritsar gemacht. Amritsar liegt in unmittelbarer Nähe zur pakistanischen Grenze im Bundesstaat Punjab.


Auf dem Weg von Delhi nach Amritsar - Nachtzug, Sleeper Class

Ankunft am nächsten Morgen in Amritsar - Bahnhof
Vom Bahnhof aus wollten wir zunächst irgendwo eine ordentliche Tasse Kaffee trinken, um die müden Lebensgeister zu wecken, vorzugsweise in unserem "Lieblingscafé" in Delhi, Barista. Leider gibt es in Amritsar (noch) kein Barista-Café - es gäbe lediglich "farishta" (Urdu: Engel), wie man uns mit einem breiten Lachen auf dem Bahnhofsvorplatz mitteilte

Punjab ist der wohlhabendste Bundesstaat Indiens und gleichzeitig die Heimat der Sikhs.
Am Tag unserer Ankunft fand gerade eine Prozession zu Ehren des Geburtstags des Vierten Gurus statt. Wie man auf den folgenden Bildern sehen kann, ging es dabei vor allem darum, sich als Kriegerkaste in Szene zu setzen und Stärke zu demonstrieren.










Der Reinigungstrupp fegte munter hinter her


Amritsar ist neben Lahore die heiligste Stadt der Sikhs, da sich im Zentrum Amritsar der Goldene Tempel befindet, in dem das heilige Buch der Sikhs (Guru Granth Sahib) aufbewahrt wird. Der Schrein steht in einem Wasserbecker, dem Amrit Sarovar (quasi Becken des Nektars), von dem sich auch der Name der Stadt ableitet.




In und um den Tempel musste man wie frau den Kopf bedecken, im Tempel hieß es darüber hinaus Schuhe ausziehen, wie es auch in Moscheen verlangt wird.

Für gläubige Sikhs ist es Teil des Besuchsrituals, ein Bad im heiligen Nektar zu nehmen.




In den Schrein selbst, der angeblich mit 750kg Gold verziert sein soll, sind wir leider nicht vorgedrungen, da Tag wie Nacht der Menschenandrang immens war, wie man rechts im Hintergrund vielleicht sehen kann.
Innerhalb der Tempelanlage gab es einen großen Speisesaal, wo man umsonst essen konnte. Das Essen wird von freiwilligen Helfern zubereitet. Diese kostenlose Essensausgabe beruht auf den Prinzip "langar" (Almosen), was auch die Vorstellung des "Service to Humanity" (Nächstenliebe) beinhaltet.




Während des Essens machten wir die Bekanntschaft mit einem netten Sikh, der uns die Geschehnisse im Tempel erklärte.

Der Tempel bei Nacht. Im Hintergrund sieht man wiederum die Menschenlange, die einfach nicht abreißen wollte.

Ein weiterer bedeutsamer Ort in Old Amritsar ist "Jallianwala Bagh". Hier wurden am 13.April 1919 (nach offiziellen Angaben) 379 Menschen (nicht-britischen Quellen sprechen von 1000 Ermordeten und 2000 Verletzten) von der British Indian Army erschossen. In den Geschichtsbüchern wird vom Jallianwala Bagh Massacre gesprochen. Die Männer, Frauen und Kinder hatten sich im Rahmen religiöser Feierlichkeiten zu einem friedlichen Protest gegen die britische Regierung zusammengefunden. Diese hatte u.a. ein Versammlungsverbot für die Bewohner Amritsar beschlossen. Die Armee unter Brigadier-General Reginald Dyer reagierte auf die Demonstration mit Gewalt.

Insgesamt wurden 1650 Patronen auf die Menge abgefeuert abgefeuert. Die Willkür in diesem Akt kann man an den vielen Einschusslöchern in den den Park umgebenen Häuserwänden ablesen.

Da die Soldaten alle Fluchtwege versperrt hatten, versuchten sich die verzweifelten Menschen durch einen Sprung in einen Brunnen zu retten, was für die meisten jedoch nicht Rettung, sondern Tod durch Ertrinken bedeutete. Das Massaker von Amritsar war das prägende Kindheitserlebnis eines Mannes, der 1931 als Revolutionär von der britischen Armee hingerichtet wurde und damit zum Märtyrer im indischen Unabhängigkeitskampf wurde: Bhagat Singh. (Seine Lebensgeschichte spielt u.a. in dem unter jungen Indern extrem beliebten Film "Rang de Basanti" (2006) eine wichtige Rolle.)


Auf dem Weg zur Wagah Border, der Indo-Pakistanischen Grenze (der einzigen Landgrenze).

Blick auf die pakistanische Seite.

Indischer Grenzer.

Jeden Abend wird an diesem Grenzposten aus dem simplen Akt des Grenzschließens ein riesen Spektakel gemacht. Auf Neudeutsch würde man wohl sagen: Hier wird täglich ein Event kreiert. Für den gemeinen Ausländer bzw. die gemeine Ausländerin mag es schwierig sein, zu dem Trara eindeutig emotional Stellung zu beziehen. Einerseits ist es extrem belustigend, diese Hahnenkampf-Choreographie anzusehen (nach dem Motto: Wer das Bein am höchsten wirft, gewinnt!). Andererseits ist es sehr einschüchternd zwischen den Massen von Menschen zu sitzen, die Fahnen schwingend "Hindustan zindabad" brüllen, während es von der anderen Seite als Antwort "Jiah, jiah Pakistan" schallt.




Und hoch das Bein!


Auf beiden Seiten des Grenzstreifens wurden Tribünen errichtet, wodurch so etwas wie Stadioatmosphäre geschaffen wurde. Ein Moderator bzw. ein Animateur heizt den Massen ordentlich ein und regt zu Schlachtrufen an.


Wenn dann die Beine müde werden, fängt man(n) an sich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren. Die Fahnen werden eingeholt und am Ende wird das Tor geschlossen.
Blick auf die pakistanische Seite.

Das nächste, was der gemeinen Ausländerin auffällt, ist, dass die Menschen da auf der anderen Seite, die Erzrivalen, den hiesigen Menschen erstaunlich ähnlich sehen. Der Vollbart ist dort drüben etwas offensichtlicher in Mode, aber die Salwar Kameezas und Sarees der Damen sind genauso bunt wie die der Inderinnen. Differenz wird hier also höchst artifiziell produziert.
Oder: The Other looks amazingly like the Self...


Wer sich das Spektakel noch einmal in bewegten Bildern und mit patriotischem Ton zu Gemüte führen möchte, der schaue doch einfach mal auf Youtube nach folgenden Clips: www.youtube.com/watch?v=1vIWoiDk5Fg
www.youtube.com/watch?v=LZ0ue-XGl9c

Der Stachdrahtgrenzzaun.
Erinnert meiner Meinung nach an Bilder von der Amerikanisch-Mexikanischen Grenze.

Dies ist der letzte Briefkasten vor der Grenze auf indischer Seite.
Die Post funktioniert tatsächlich auch in "Land's End".